Teil 3
Wie in Zeitlupe begann die Leiter zu kippen während sie weit oben auf einer der dünnen Holzsprossen stand und sich am oberen Rand festklammerte.
Sie fiel.
Schneller und schneller stürzte sie mitsamt der Leiter unbarmherzig der Schwerkraft folgend in Richtung Erde.
Schreckensbilder vernebelten jeden klaren Gedanken.
Ihre Angst vor dem Aufprall stieg ins Bodenlose.
Bodenlos schien auch der Fall zu sein.
Immer tiefer fiel sie hinab, sauste in großer Geschwindigkeit auf den Erdball zu.
Schon konnte sie den Boden unter sich sehen.
Ihr wurde schlecht.
Dann ergab sie sich und löste ihre verkrampften, verzweifelt an die Leiter geklammerten Hände in Erwartung eines schnellen Endes.
Um sie herum wurde es dunkel.
Die Finsternis hielt nur einen Augenblick an.
Es war der Augenblick, in dem sie sich an ihren tierischen Gefährten erinnerte und ihn warm und lebendig an ihrer Seite spürte.
Sie landete – sanft –
mit den Händen und Füßen auf hölzernen Leitersprossen, die sie hinauf stieg.
Höher und höher.
Wieder blieb ihr Krafttier auf halber Höhe stehen und liess sie alleine weiter klettern.
Sie war auf ihrem Weg in Richtung Regenbogenschaukel.
Bevor sie das Ende der Leiter erreicht hatte, stürzte sie abermals mitsamt der Leiter in die Tiefe.
Jede Zelle ihres Körpers klammerte sich verkrampft an das der Schwerkraft der Erde folgende Holz.
Wie Bücher aus einem umstürzenden Regal purzelten ihre Gedanken und Ängste durcheinander bis sie sich abermals ergab und unendlich sanft auf einer weiteren hölzernen Leiter landete.
Wie beim ersten Fallen begleitete ihr Seelentier sie wieder ein Stück nach oben.
Leiter für Leiter kämpfte sie sich weiter.
Bei jedem Fallen spürte sie wie die die Todesangst sich in jeder Zelle ihres Körpers ausbreitete.
Jedesmal kurz vorm Aufprall öffnete sie ihre Hände, schwebte einen ewig scheinenden Moment lang durch die Dunkelheit um dann auf der nächste Leiter wieder empor steigen zu dürfen.
Ihr treuer Gefährte begleitet sie.
Unermüdlich steigt er mit ihr Leiter für Leiter nach oben, umhüllt sie während ihres Fallens und Steigens mit seiner Verbundenheit und vertraut ihr bis in alle Ewigkeiten.
Ein stolzes und wunderschönes Wesen in ihr freut sich darauf, dass sie eines schönen Tages selber genug Vertrauen gefasst haben wird, und aus freien Stücken die festen Stufen der ewigen Holzleitern verlassen kann.
Verbunden mit den Geschöpfen der Erde und des Himmels kann sie jederzeit alle Leitern hinter sich lassen, zu ihrer Schaukel am Regenbogen schweben und weit über unsere Erde schwingen.
Foto: Mirjam Usbeck/2017
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