Die Regenbogenschaukel

Teil 2

Das Fenster war gekippt und nach Regen duftende Abendluft strömte herein.
Die Luft trug Sehnsucht und die Erinnerung an einen Moment aus ihrer Kindheit in ihre Nase.
Es duftete frisch und kühl und nach einem Regen im Herbst.
Sie lief hinaus in den Abend und atmete.
Tief strömte der Abend in ihre Weite.
Jeder Atemzug sank einfach so in ihren Brustraum und berührte ihre Seele in der tiefsten aller Tiefen.
Dieser eindeutigen Einladung, weiter zu gehen, folgte sie gerne.
Mit geschlossenen Augen, ihren tierischen Gefährten an ihrer Seite, setzte sie vorsichtig einen Fuß auf die Erde, dann noch einen und ging einen weiteren Schritt. Überdeutlich spürte sie, dass sie mit jeder Berührung ihrer Füße die Erde küssen konnte.
In diesem einzigen Moment küsste sie Schritt für Schritt die Erde eines ganzen langen Lebens.
Lächelnd schenkte die Erde ihr diesen Segen zurück.
Wohin sie auch kam erntete sie Fülle und Lächeln.
*Jeder Kuss, den du deinen Momenten schenkst*, kehrt tausendfach zu dir zurück, würde sie nun nie mehr vergessen.

Es war Tag geworden.
Verlockend blinzelte der blaue Himmel ihr zu und lockte sie hinaus bis weit hinter die Wälder.

Sie war wieder ein Kind und sah die vertraute Holzleiter vor sich im Gras stehen.

Die Leiter reichte hoch in den Himmel, so dass sie nicht erkennen konnte wo diese angelehnt war.
Damals lehnte die Leiter am Apfelbaum im Garten ihrer Großeltern.
Sie stieg auf eine der unteren Sprossen. Die Leiter schien stabil zu stehen.
Einen Schritt nach dem anderen setzte sie, so dass sie Sprosse für Sprosse immer weiter nach oben gelangte.
Immer näher schien sie den Wolken und dem blauen Himmel zu kommen.
Sollte dass der Weg sein zur großen Schaukel, die am Regenbogen hängt?
Wäre sie heute, so viele Jahre später bereit dazu, dieses Bild an dass sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte erreichen zu können?
Weiter hinauf stieg sie und ihr Gefährte gab ihr Zuversicht.
„Schau niemals nach unten“, hatte ihr Großvater sie damals gewarnt.
Sie schaute hinab. Die Erde war kaum mehr zu erkennen.
Auch die vertraute Wärme ihres Gefährten war plötzlich nicht mehr spürbar.
Er war zurückgeblieben, ein Stück weiter unten, um dort, wo die Sprossen der Leiter immer schmaler geworden waren auf sie zu warten.
Sie hatte es beim Hinaufsteigen gar nicht bemerkt.
Ihre aufkommenden Zweifel pustete der Wind von dannen.
Der innige Wunsch, das Ende der Leiter zu erreichen und zu erkennen, wohin diese sie bringt, liess sie weiter nach oben klettern.
Stufe für Stufe gewann sie an Höhe.

Die immer schmaler werdende Leiter begann sich zu bewegen. Sie schien zu schwanken.

Unsicher hielt sie sich an den hölzernen Sprossen fest und sie hoffte, dass das Schwanken nachlassen möge.
Der Wind, der vorhin noch sanft ihre Zweifel weg getragen hatte wurde stürmischer und das Schwanken stärker.
Die Leiter schwankte nun weit hin und her und drohte zu kippen.
Was, wenn sie zu weit gegangen wäre?
Was, wenn die Leiter, die sie seit Stunden hinaufstieg kippen würde.
Ihr wurde schwindlig.

Fortsetzung folgt …

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