So sehr liebe ich die Menschen, besonders die ganz „normalen“, die einfachen Menschen, die ihrem Tagewerk nachgehen, auf der Strasse entlang laufen und Kaffee trinken.
In ganz einfachen Situationen finde ich immer wieder Helden und Heldinnen des Alltags, deren Lebensweise mir oft weiser erscheint als die von Gelehrten oder selbsternannten Gurus oder Lehrern.
In einem „Brennpunkt Stadtteil“ hat mich ein selbst gemalte Schild über einer Bäckerei angesprochen:
„Dolce Pane“ stand da geschrieben.
Meine Liebe zur italienischen Sprache und italienischem Kaffee zog mich dort hinein.
Ein fast schlafender älterer Mann saß in einer Ecke; hinter der Theke eine sehr „handfeste“ Frau.
Ich bestellte mir einen Cappuccino, die Dame erklärte mir dass ihre Kunden alle ungefährlich seien und platzierte meine Tasse direkt neben der des einzigen Gastes.
Der Kaffee schmeckte scheußlich.
Ich begann mich zu fragen, warum meine Intuition mich hierher geführt hatte.
Die Frau verabschiedete den Mann mit den Worten, „Schätzchen, hab einen schönen Tag, Schätzchen.“
Kannten die beiden sich näher?
Aber da war keine Berührung und eine gesunde Distanz trotz dieser Worte.
Als der Mann den Laden verlassen hatte, schenkte die Frau sich einen Kaffee ein, kam interessiert näher und sah mich an.
„Sind Sie neu hier?“ wollte sie wissen.
Wir begannen uns zu unterhalten. Vielmehr lauschte ich ihren Worten und ein stilles Lächeln breitete sich in mir aus, als ich sie all das sagen hörte, was viele Menschen sich von erfahrenen Lehrern und Meistern erklären lassen.
„Weißt du, du bist nicht von hier“, setzte die Frau mit einem breiten süditalienischen Akzent an.
„Die Menschen, die hier aus dem Viertel sind kenne ich. Das ist meine Familie.
Zu meiner Familie in Italien habe ich viel weniger Kontakt als hier zu meinen Nachbarn.
Vielleicht hört sich das seltsam an, aber die Menschen hier sind meine Familie. Und – ja, sie sind auch meine Kunden, aber das sind nun mal die Menschen, mit denen ich lebe, seit 23 Jahren.
Und ich liebe es, ihnen nahe zu sein.
Dabei ist mir die Religion und die Hautfarbe egal. Ich habe meine Religion und wenn jemand mich bekehren will, sage ich gleich, dass es nutzlos ist und dass wir uns gegenseitig in Ruhe lassen sollen.
Jeden Samstag treffe ich mich mit diesen Frauen, die mich ändern wollen. Auch das kann ich so lassen“, lacht sie.
„Weißt du, es ist so schön, dass wir Menschen doch alle gleich sind.
Vielleicht klingt das merkwürdig, aber ich bin doch auch du.
Du bist wie ich, auch wenn du deine Arbeit machst und ich hier mein Brot verkaufe.“
Wir reden noch eine Weile über das Schöne im Leben und über ein gutes Miteinander in der Nachbarschaft. Dann verabschiede ich mich, bezahle meinen Kaffee und verspreche, bei Gelegenheit wieder zu kommen.
„Ich liebe meine Familie“, blinzelt die Frau mir hinterher.
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