Fabel haft

In einem Wald lebte ein seltsamer Kauz.
 
In den Nächten, wenn die anderen Vögel längst schliefen, erwachte er und ging auf die Jagd.
Neben seiner Nahrung jagte er nach dem Gefühl, vom Wind getragen durch die Nächte zu fliegen.
Weit breitete er seine Flügel aus und schwebte beinahe lautlos über die Bäume seines Waldes und angrenzende Felder.
Er liebte dieses erhabene Gefühl, einsam in der tiefen Nacht seine Kunstflüge zu üben.
 
Am Tage saß er hoch oben im Wipfel einer Lärche und schlief.
Während er selig von seinen kühnsten Flügen träumte, schnarchte und schnaubte er ein wenig.
 
Die anderen Tiere begannen über ihn zu tuscheln.
Sie fragten sich, was dieser unscheinbare knorrige Geselle wohl so alleine in den Nächten tut und ob er etwa log und stahl oder anderen verbotenen Tätigkeiten nachging.
 
Zunächst kümmerte es den Kauz wenig,
doch mit den Jahren begann er sich nachJemandem zu sehnen, mit dem er seine Träume und Künste teilen könnte.
 
Die geselligen Fledermäuse lebten mit Ihresgleichen in Höhlen und Scheunen und sie mieden den großen unheimlichen Vogel mit dem scharfen Schnabel.
 
Die Igelkinder sahen zwar sehnsüchtig zu ihm hinauf an den nächtlichen Himmel, wurden aber sofort von ihrer ängstlichen Mutter zur Ordnung gerufen.
 
Einzig die grosse schwarze Katze war im Dunkel der Nacht unterwegs und auf der Pirsch und sie fürchtete sich nicht.
 
So landete der Kauz in einer besonders schwarzen und wolkigen Nacht todesmutig auf einem niedrig hängenden Ast um der schwarzen Jägerin von seiner stillen Sehnsucht zu erzählen.
Mit seinen farbenfrohen Geschichten aus dem Himmel weckte er eine lange schlummern Sehnsucht tief im Herzen der Katze.
 
Ihre Augen, die bis dahin unheimlich durch die Nacht geglüht hatten, während sie mit ihren scharfen Krallen und spitzen Zähnen gierig nach Futter jagte, begannen bei den Erzählungen des Kauzes in neuen, ungewohnten Farben zu leuchten.
 
Es war jenes Leuchtfeuer entzündet, das weit über den Wunsch hinaus, nur satt zu werden, auf einen längst vergessenen uralten Pfad leuchtete.
 
So saßen die beiden eine Weile eng beieinander in einer tiefen und finsteren Nacht und füllten einander die Herzen mit Sehnsucht.
 
Plötzlich tropfte Etwas von oben herunter auf die beiden Tiere, die in der Dunkelheit und im Licht ihrer Geschichten näher zusammen gerückt waren.

Sie saßen unter der großen Lärche nahe der Lichtung über der jetzt eine sich verziehende Wolke den Blick zum großen runden Mond frei gab.
 
Erschrocken fauchte die Katze und sprang zur Seite.
Regnete es?
Dem Kauz sträubte sich das braune Gefieder, als er sah, wie stark und schnell die Katze war.
Erschrocken blickte er nach oben und öffnete seinen scharfen Schnabel um zuschlagen zu können.
Gerade wollte er die Spinne, die über den beiden ihr Netz gesponnen hatte zum Nachtisch verspeisen, als eine zweite Träne aus ihren Augen rollte und direkt auf dem immer noch gesträubten Gefieder des Kauzes landete.
 
Neugierig kam nun die Katze näher, die mit ihren feinen Ohren die dünne Stimme der Spinne vernahm.
„Bitte lieber Kauz, halte inne und friss mich nicht.
Ich bin nicht sehr schmackhaft“
 
„Was willst du hier“, ertönte jetzt die dunkle Stimme der Katze.
„Bitte verzeiht, ich habe euch belauscht und eure Träume und Sehnsüchte gehört. Da konnte ich nicht anders, als diese zarten Wünsche in mein Netz zu weben.
 
Ich bin eine Lauscherin und ich sammle und schreibe die Geschichten der Bäume, des Windes und der Sehnsucht auf, damit sie nicht verloren gehen.
 
Irgendwann nimmt mein Bruder Wind meine gesponnenen Fäden mit auf seine Reise und verteilt sie als Schicksal und Hoffnung auf der ganzen Welt.
So schenke ich den Stillen, den Nächtlichen und den Lauschenden mein Ohr und ich verbinde mich mit meinem Bruder Wind um der Welt all diese zarten und wilden Träume und Geschichten wieder und wieder zurück zu schenken,
 
bis sie sich eines Tages zum Wohle Aller erfüllen.
 
Bis zum Morgengrauen saßen die drei ungleichen Freunde, jeder mit seiner Geschichte und jeder mit seiner Aufgabe und jeder mit seiner Sehnsucht.
Gemeinsam mit der hellen Sonne begrüßten sie den neuen Tag bevor sie erfüllt und glücklich auf ihrer SONGLINE weiter ihren wahren Träumen nachgingen.

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