Das Ziel ist im Weg, denkt sie leise.
Natürlich leise, Denken findet ja im Inneren statt.
Schon selbst beim Klavierspiel wird es deutlich. Wenn ihr Ziel darin besteht Klavier spielen zu lernen, dann kann es doch nicht darum gehen, es bereits zu beherrschen.
Kann ich, was ich beherrsche überhaupt spielen?
„Mein Ziel ist das Spielen“, sagt sie und blickt zu ihrer Klavierlehrerin auf.
Diese schaut verständnislos auf die kleine Person, die da vor ihr sitzt, offensichtlich nicht geübt hat und jetzt auch noch anfängt, unverständliche Kinderweisheiten von sich zu geben.
Auf dem Teppich liegt die kleine schwarze Katze und gähnt herzhaft.
Sie reckt sich, rollt über den Rücken um dann aufzustehen und sich gemächlich auf den Weg zu den Beinen zu machen, die nahe beim Klavier einigermaßen still stehen.
Die Klavierlehrerin seufzt tief und beginnt die kleine Melodie noch einmal zu spielen.
„So ist es richtig“ , sagt sie, „versuche es wieder.“
Sie versucht, es nachzuahmen.
Erst mit offenen Augen, dann mit geschlossenen. Sie hört neben sich das Einatmen ihrer Lehrerin, die gleich losdonnern wird, dass man mit geschlossenen Augen keine Noten lesen kann.
Was weiß die schon, von ihrer inneren Melodie.
Lehrer, denkt sie, kennen sich mit Noten aus, nicht mit meiner Not, mit messbaren Ergebnissen, nicht mit meinem Spiel.
Gerne hätte sie ihrer Lehrerin gezeigt, wie Spielen geht.
Auch das Klavierspielen besteht nur aus Spielen.
Die Augen noch immer geschlossen, gleiten ihre Finger über die Tasten, die Klänge berühren ihr Herz. Sie hört das Schnurren der kleinen Katze, atmet den Duft von zu Hause ein und sie lächelt leise als sie mitten im Donner des Applauses die Stimme ihrer alten Lehrerin hört, die stolz davon erzählt, dass sie ihr das Spielen nahegebracht habe.
Die Augen immer noch geschlossen wendet sie sich ihrem Publikum zu.
Das Ziel liegt im Weg, denkt sie.
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